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Gliederung
- Einleitung
- Sportsucht
- Kriterien zur Diagnose einer Sportsucht
- Fragebogen
- Interpretation
- Take-Home-Message
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1. Einleitung
„Unsere Gesellschaft wird immer bewegungsärmer. Wir fahren mit dem Auto zur Arbeit und sitzen dann 8 Stunden vor dem Computer. Viele Menschen suchen den Ausgleich dafür im Sport. Dadurch können sie ihren Körper auf eine Art spüren, die ihnen sonst im Alltag verwehrt bleibt“ (Thomas Schack 2008, Sportpsychologe und Sportwissenschaftler an der Universität Bielefeld, im Interview mit der Zeitschrift Men´s Health; vgl. Kröger 2008: 79 ff)
Sport hebt sich durch viele positive Aspekte von anderen Aktivtäten in der Freizeit ab. Unter anderem sind dafür ein verbessertes Wohlbefinden, gute Laune, Stoffwechselverbesserung, verbessertes Immunsystem, Muskelaufbau, Steigerung der Kondition und eine bessere Schlafqualität anzuführen. Der moderne Sport ist im Zusammenhang einer inzwischen stark ausdifferenzierten „somatischen Kultur“ (Boltanski 1976: 154) zu einem Versprechen aufgestiegen, das für physische Attraktivität und Leistungsfähigkeit sowie Gesundheit steht. 2016 trieben 70% der Bevölkerung in Deutschland regelmäßig Sport. Nur 18% sind reine Antisportler. Für einige ein Sollen, für viele ein Wollen, für manche ein Müssen. Bei vielen Sportlern ist das sportliche Treiben fest in den Tagesplan integriert. Es fallen selten Sporteinheiten aus und längere Pausen entstehen maximal durch verletzungsbedingte Zwangspausen. Sport hat neben den aufgeführten physischen Komponenten eine Menge Vorteile, „sofern das richtige Maß eingehalten wird“ (Bette & Gugutzer 2012: 107f), die dazu verleiten, den Konsum zu erhöhen. Neben der Ausschüttung des Glückshormones Endorphin wird durch regelmäßige körperliche Aktivität Fettgewebe reduziert und Muskelgewebe aufgebaut. Um für viele Sportler den diversen Zielen wie Leistungssteigerung und Körperforming, aber auch mediale Aufmerksamkeit (Social Media etc.), sozialer Aufstieg und Identitätsgewinn näher zu kommen, werden viele Kompromisse eingegangen. Um den Erfolg zu erhöhen folgen oft Anpassungen der Ernährung und deren Lebensweise, beispielsweise durch frühes Schlafengehen. Aus zwei bis drei Stunden Training werden sechs bis acht Stunden. Der Sport wird zu einem Fitnesslifestyle bei dem soziale Kontakte außerhalb der Sportwelt nur noch einen geringen Platz einnehmen. „Normalitätsmaßstäbe sind zwar kaum allgemeinverbindlich“ (ebd.: 108), jedoch verstößt dieses Verhalten auch ohne eine Norm gegen die kultur- und gesellschaftsspezifischen Konstruktionen in Deutschland. Schnell wird aus dem unverbindlichen Sporttreiben ein „Muss“ und Sportzwang. „Ihr gesamtes Denken, Handeln und Fühlen kursiert nur um eine Sache, ihre Sucht, die es immer wieder aufs Neue zu bedienen gilt“ (ebd.: 115). Sportsucht ist ein durchaus relevantes Thema, welches deutlich mehr Aufmerksamkeit im Breitensport erfahren sollte. Deshalb stellt sich diese Arbeit dem Anspruch, das Verhalten der Sportler im Kraftsport, unter der Prämisse des Phänomens der primären Sportsucht im Breitensport zu erforschen. Finden sich im universitären Fitnessstudio „Unifit Bielefeld“ Kraftsportler aus dem Breitensport mit einer primären Sportsucht und welche Kriterien des mikrosozialen Kontextes sind hierfür ausschlaggebend?
2. Sportsucht
Immer wieder finden sich in Magazinen und Zeitschriften Titel wie „Generation XXL“ oder „Generation Pommes“ In diesen Artikeln wird berichtet, dass die Gesellschaft zu viel Zeit vor dem Computer und Fernseher verbringt, sich zu wenig bewegt und zu süß und zu fettig ernährt. Angetrieben durch die Massenmedien wird unsere Gesellschaft ein neues Idealbild vermittelt. Die Kluft zwischen den Extremen wird immer größer, von absoluter Bewegungsarmut hin zu intensivem Sporttreiben. Um die Fragestellung der Arbeit zu klären, werden nachfolgend die wichtigsten Begriffe definiert.
2.1 Definition Sport
Das englische Wort „sport“ entstand über das Französische „desport“, was wiederum von dem mittellateinischen „se disportare“ abstammt. Dieses bedeutet so viel wie Vergnügen oder sich zerstreuen.
Als Sammelbegriff für Bewegung, Körperertüchtigung, Training und Leibesübungen wurde „Sport“ in seiner anfänglichen Bedeutung genutzt und von Spaß, Zerstreuung und körperliche Erholung gekennzeichnet. Der Begriff „Sport“ hat sich seit seiner Entstehung in England im 18 Jahrhundert zwar regelmäßig weiterentwickelt und verändert, jedoch kam es nie zu einer allgemeinen Definition.
Voigt und Alfermann (1992) beschreiben den Sport als eine durch Motivation an der Freude an Bewegung heraus geweckte Selbstbewegung des Individuums mit dem Ziel, den eigenen Körper zu spüren. Dieses Bewegen wird mit markanten Werten, Regeln, Zielvorstellungen und Sanktionen durchgeführt. Dagegen argumentieren Becker und Böing (1968) Sport sei ein „Container-Begriff“ für Leibesertüchtigungen mit den Werten von Spiel und Erholung, als auch Leistungs- und Wettkampfgedanken. Erweitert versucht Beckers knapp 30 Jahre später eine Verbindung zwischen Sport und Gesellschaft zu schaffen und vermutet, dass sich unsere Leistungsgesellschaft mit den Merkmalen von Wettkampf- und Konkurrenzgedanken auf den Sport beziehen lassen. Dieser Gedanke steht sowohl im Einklang mit Jochs (1983) Definition, welche den Sport als Mittel zum Zweck des gesellschaftlichen Systems für die Ausübung und Befriedigung von Interessen und Bedürfnisse, als auch für die Bewältigung von Sorgen und Probleme nutzt.
Aufgrund der Menge der unzähligen Definitionsversuche haben die Autoren des sportwissenschaftlichen Lexikons den Begriff „Sport“ nicht exakt definiert, sondern auf seinen Gebrauch und stetigen Wandel reduziert:
„Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich Sport zu einem umgangssprachlichen, weltweit gebrauchten Begriff entwickelt. Eine präzise oder gar eindeutige begriffliche Abgrenzung lässt sich deshalb nicht vornehmen. Was im Allgemeinen unter Sport verstanden wird, ist weniger eine Frage wissenschaftlicher Dimensionsanalysen, sondern wird weit mehr vom alltagstheoretischen Gebrauch sowie von den historisch gewachsenen und tradierten Einbindungen in soziale, ökonomische, politische und rechtliche Gegebenheiten bestimmt. Darüber hinaus verändert, erweitert und differenziert das faktische Geschehen des Sporttreibens selbst das Begriffsverständnis von Sport“ (Röthig & Prohl 2003: 493-549).
Demnach ist Sport ein multidimensionales, zu jeder Zeit bestehendes, jedoch niemals fest und abschließend definierbares Phänomen. Dieses wird durch die umgebende Kultur und Gesellschaft, als auch durch sich selbst definiert und verändert. Gemeinsamkeiten bei den Definitionsversuchen bestehen darin, dass Sport zu einem großen Teil mit Bewegung und körperlicher Aktivität verbunden ist. Im Folgenden wird sich an der Definition von Volkamer orientiert. Diese weißt einen großen Schwerpunkt an körperlicher Betätigung aus:
„Sport besteht in der Schaffung von willkürlichen Hindernissen, Problemen oder Konflikten, die vorwiegend mit körperlichen Mitteln gelöst werden, wobei die Beteiligten sich darüber verständigen, welche Lösungswege erlaubt oder nicht erlaubt sein sollen. Die Handlungen führen in ihrem Ergebnis nicht unmittelbar zu materiellen Veränderungen“ (Volkamer 1984: 196).
2.2 Definition Sucht
Die Wörter „Abhängigkeit“ und „Sucht“ gehen im alltäglichen Gebrauch oft Hand in Hand und werden als Synonyme verwendet, auch wenn diese keine sind.
„Beispielsweise wird von der ‚Drogensucht‘ oder der ‚Sportsucht‘ gesprochen, obwohl es sich bei der sogenannten ‚Drogensucht‘ eigentlich um eine stoffgebundene Abhängigkeit handelt. Dagegen ist die Sportsucht nicht durch das Verlangen nach psychotropen Substanzen gekennzeichnet. Somit liegt hier auch keine Abhängigkeit vor“ (Barth 2011: 11).
Nachfolgend wurde in Anlehnung an Gross (1995) „Sucht“ für stoffungebundene Suchtformen und „Abhängigkeit“ für stoffgebundene Abhängigkeitsformen verwendet.
„Die Verwendung des Begriffs ‚Sucht‘ in Abgrenzung zu dem der ‚Abhängigkeit‘ stellt eine Möglichkeit dar, Sucht als ein eigenständiges Phänomen zu betrachten, welches in seiner Art vom medizinisch-psychologisch klar definierten Begriff der Abhängigkeit abweichen kann“ (Barth 2011: 12).
Die oben angeführten Differenzierungsversuche werden durch das Blaue Kreuz, als eines der größten deutschen Suchthilfeverbände, bestärkt. Diese beschreiben die „Sucht als ein bestimmtes Verhaltensmuster, mit einem unwiderstehlichen, wachsenden Verlangen nach einem bestimmten Gefühls- und Erlebniszustand“ (ebd.: 13). Grundsätzlich kann jeder Mensch und jede Form von menschlichen Verhaltens zur Sucht werden, denn Sucht ist nicht auf den Konsum bestimmter Stoffe beschränkt. Beispiele sind hierfür die Spielsucht, die Magersucht oder die Sportsucht.
2.3 Definition und Entstehung von Sportsucht
Bisher gibt es keine allgemeingültige Definition. Gerade in der internationalen Literatur sind viele verschiedene Bezeichnungen für Sportsucht vorhanden, beispielsweise von Beakeland (1970) „exercise addiction“, von Adams und Kirkby (1998) „exercise dependence“ oder von Yates (1991) „excessive exercise“. In der deutschsprachigen Literatur wurde das Phänomen der Sportsucht als „exzessives Verhalten […], das eine hohe psycho-physische Abhängigkeit erzeugt“ (Bette & Gugutzer 2012: 108) beschrieben.
Die von Beakeland (1970) angeführte Benennung von Sportsucht ist die erste direkte Thematisierung des Phänomens. Das daraufhin langsam steigende Interesse an diesem Thema ist unter anderem der Laufbewegung in den 1970er und dem folgenden Fitnessboom in Amerika zu verzeichnen. Wenige Jahre später ist die Fitnesswelle auch in Europa angekommen. In einer Studie über Sport und Schlaf entdeckte Baekeland (1970), dass viele Sportler trotz finanzieller Anreize kein Interesse daran hatten, auf Sport zu verzichten. Er postulierte, dass diese Randgruppe von Sporttreibenden durch ihren übermäßigen Konsum von Sport eine Sportsucht entwickelt hat.
„Die Sportsucht ist eine Verhaltenssucht nichtstoffgebundener Art und kann in ihrer Form in sämtlichen Sportarten auftreten. Das Wesen der Sportsucht ist sowohl aus der Bodybuilderszene bekannt – dann sprechen wir von einer Bodybuilding- bzw. Muskelsucht (Muskeldysmorphie) – als auch aus dem Ausdauerbereich (Lauf- oder Ausdauersucht). Darüber hinaus rückten auch Risikosportarten und ihre Beziehung zur Sucht verstärkt in den Fokus“ (Castillon 2007: 1).
An dieser Stelle kann die Sportsucht nicht nur in ihrer Art, sondern auch an ihren Merkmalen unterschieden werden. In Anlehnung an die Definition von Sucht unter 1.2 Definition von Sucht, wird hier die Differenzierung auf Sucht bei stoffungebundenen Suchtformen und stoffgebundene Abhängigkeitsform verwiesen.
Die Krankheit verdankt ihre soziale Existenz der Psychologie und Medizin. Es gibt inzwischen mehrere Studien, die versuchen einen Zusammenhang zwischen der Sportsucht und psychischen Aspekten herzustellen. Es zeigen sich bei Suchtgefährdeten zum einen Eigenschaften wie Perfektionismus, Zwanghaftigkeit, Offenheit und Selbstwertorientierung, aber auch Ängstlichkeit und Neurotizismus. Zusammenhänge konnten ebenfalls bei Motor- und Laufsportlern, die emotional und motivational unausgeglichen sind oder bei Rennfahrer mit einem hohen Maß an Geltungsbedürfnis und Aggressionsbereitschaft hergestellt werden. Die Entstehung der Sportsucht und ihre wissenschaftliche Relevanz wurden durch den angesprochenen Lauf- und Fitnessboom gefördert. „Wissenschaftliche Disziplinen kreieren ihre Themen in der Regel nicht selbst, sondern reagieren auf gesellschaftliche Entwicklungen und deren Konsequenzen“ (Bette & Gugutzer 2012: 113). Neben diesem Sportboom wanderte der Fokus immer mehr auf die Gesundheit. So schreibt Schroeter (2006) von einem „Gesundheitsimperativ“, was zu einer Gleichsetzung durch Gugutzer und Duttweiler (2012) mit „Bewegungs- und Sportimperativ“ wurde. Durch diese Gleichsetzung verbinden viele Sport mit Gesundheit und setzen Gesundheit, Bewegung und Sport als Synonyme ein. Jedoch ist Sport nur ein Teil der Bewegung und die Bewegung ist nur ein Bruchteil der Gesundheit. Diese Synonymisierung der Begriffe fördert die Entstehung der Sportsucht, da das sportliche Treiben als positiv und moralisch vertretbar in der Gesellschaft angesehen wird, weshalb die „Sportsucht im öffentlichen Diskurs lange Zeit nahezu unbemerkt blieb“ (Bette & Gugutzer 2012: 117)
Da die Sportsucht der primären Wissenschaftsdisziplin Psychologie zugeordnet werden kann und diese zusammen mit der Medizin auch den Ursprung der Krankheit darstellt, wird als nächstes die Sportsucht unter psychologischer Perspektive betrachtet, bevor mit der Sportsucht unter soziologischer Perspektive fortgeschritten wird.
2.4 Sportsucht aus psychologischer Perspektive
„Als Wissenschaft, die sich mit dem individuellen Handeln und Erleben, mit persönlichen Motiven und Bedürfnissen, mentalen Zuständen und kognitiven Prozessen beschäftigt, gilt sie als besonders prädestiniert, sportsüchtiges Verhalten zu beschreiben…“ (Bette & Gugutzer 2012: 109).
Sportsucht (exercise dependence) wurde als multidimensionales Handlungsmuster, welches zu signifikanten Beeinträchtigungen und Schäden führt, definiert. Um eine Operationalisierbarkeit zu schaffen, wurden mehrere Eigenschaften aufgezählt, von welchen mindestens drei bestätigt werden müssen, um die Krankheit Sportsucht bei der Person zu diagnostizieren. Zu diesen gehören Entzugssymptome; Absichtsverschiebung; Verlangen, den Trainingsaufwand (Volumen und/oder Frequenz) zu steigern; Sicherung der hohen Leistungsfähigkeit trotz Reduzierung von Volumen und/oder der Frequenz; hohe Zeitinvestition; mit Schmerzen/ Schädigung des Körpers erfolgt die Weiterführung sportlichen Treibens und der Kontrollverlust. Aus Wollen wird Müssen. Der Kontrollverlust, der zu psychischen (Stimmungsschwankungen, Depression, sich schlecht fühlen), aber auch zu physischen (Müdigkeit und Schlaflosigkeit) Entzugserscheinungen führt, spielt hierbei eine besondere Rolle.
3. Kriterien zur Diagnose einer Sportsucht
Zur Diagnose einer primären Sportsucht werden nachfolgend sieben Kriterien angeführt, die überwiegend in der Fachwelt akzeptiert sind. Diese Kriterien lassen sich nicht exakt einem sozialen Kontext zuordnen, da diese dafür zu sehr miteinander in Beziehung stehen. So wird zum Beispiel bei der makrosozialen Ebene das intensive Sporttreiben durch den Leistungsgedanken angeführt, welcher sich ebenfalls bei der mikrosozialen Ebene durch die eventuell vorliegenden leistungsbezogenen Werte der Familie wiederfindet. Da die größten Schnittflächen auf der mikrosozialen Ebene vorliegen, wurden die Kriterien darauf bezogen.
3.1 Toleranzentwicklung
Die Toleranzentwicklung spiegelt den Drang zur Erhöhung des sportlichen Treibens wieder. Ohne steigende Erhöhung des Umfangs, Volumens oder Intensität würde sich der Athlet auf Dauer nicht gut fühlen. Ohne diese Berücksichtigung der Auslösung, Steuerung und Sicherung der Superkompensation würde sich ein geringerer Trainingseffekt einstellen, welcher den Betroffen unzufrieden stellt. Das Training würde den Ansprüchen des Trainierenden nicht mehr genügen. In Konflikt steht dieses Kriterium bei manchen Forschern dadurch, dass es sich um ein klassisches Trainingsprinzip handelt. Als Alternative, beziehungsweise Ergänzung, kann angeführt werden, dass diese Steigerung erst bei vorliegenden Problemen oder gesundheitlichen Risiken als Kriterium verwendet werden kann. Abschließend kann festgehalten werden, dass dieses Kriterium nicht alleine für eine Sportsucht stehen kann, jedoch in Erweiterung mit den anderen Punkten.
3.2 Entzugssymptome
Als eines der wichtigsten Symptome, sind die Entzugserscheinungen anzuführen. Morris et al. (1990) führen hierfür psychische Auffälligkeiten wie innere Unruhe, leichte Reizbarkeit und Unbehagen an. Zusätzlich können Depressionen und Ängste oder Schlafstörungen und körperliche Erschöpfung auftreten. Zu berücksichtigen gilt jedoch, dass diese Anzeichen auch bei Menschen, die auf etwas verzichten müssen, auftreten können. Die Stärke der Symptome ist in diesem Fall entscheidend.
3.3 Intentionalität
Der innere Zwang, der durch das zentrale Lebensmotiv Sport entsteht, wird immer stärker und relevanter für die tägliche Lebensbewältigung. Hausenblas und Symons Downs (2002) führen zudem an, dass Sportler ein Gefühl der Hilfslosigkeit durch den erhöhten Sportkonsum verspüren und den Athleten diese immer länger dauernden Einheiten bewusst werden.
3.4 Kontrollverlust
Ein neben den Entzugssymptomen immer wieder angeführter Punkt ist der Kontrollverlust. Der Sportler verspürt seit längerer Zeit den Wunsch und das Bedürfnis, seinen Sportkonsum zu reduzieren, was er jedoch nicht umzusetzen schafft, was auch von Außenstehende bemerkt wird.
3.5 Zeitlicher Aufwand
Der steigende zeitliche Aufwand lässt sich nicht nur auf das Sporttreiben selbst reduzieren, sondern beinhaltet ebenfalls die Vorbereitung und Planung sowie das Erholen vom Training. Bamber et al. (2000) führen an, dass der reine zeitliche Aufwand nicht als pures Kriterium herangezogen werden sollte. Viel wichtiger ist es, den verpassten Möglichkeiten und Vernachlässigungen Aufmerksamkeit zu schenken. Würden täglich drei Stunden auf dem Fahrrad mit Freunden in der Wildnis verbracht, anstatt Fernsehen zu schauen, ist es nicht als Sportsucht zu bezeichnen. Ist jedoch der innere Zwang der Antrieb und würde sich ohne das Radfahren eine innere Unruhe einstellen, so ist das Kriterium zeitlicher Aufwand anzuführen.
3.6 Konflikte
Es entstehen Konflikte mit der Familie, Freunde oder auf der Arbeit durch die exzessive Durchführung von Sport.
3.7 Kontinuität
Es kann nicht auf den Sport verzichtet werden, obwohl sich schädliche Folgen einstellen, aktuell schon vorliegen oder gesundheitliche Risiken entstehen können und diese auf den Sport zurückzuführen sind. Breuer und Kleinert (2009) führen dabei das Übergehen von Schmerzen und Verletzungen, Reduzierung von Erholung auf ein Minimum und das Ignorieren von internistischen Beschwerden an.
4. Fragebogen
Der Fragebogen bedient sich an den sieben Kriterien zur Diagnose einer primären Sportsucht. Jedes Kriterium wird mit drei Fragen überprüft. Diese 21 Aussagen können bei einer sechs-stufigen-Skala von „Trifft immer zu“ bis zu „Trifft überhaupt nicht zu“ bewertet werden. Die Skala vergibt durch ihre sechs Ankreuzmöglichkeiten somit maximal 18 Punkte pro Kriterium. Wird bei einer Skala keine Aussage getroffen, so wird diese Frage aus der Berechnung genommen. Bei fünfzehn bis achtzehn Punkten pro Kriterium gilt dieses als erfüllt. Bei sieben bis vierzehn ist es teilweise erfüllt und unter sechs ist es nicht erfüllt. Für die Diagnose einer Sportsucht müssen drei der sieben Kriterien erfüllt sein. Sportbindung wird diagnostiziert, wenn mehr als drei Kriterien teilweise erfüllt werden. Die Fragen wurden bewusst durcheinander angeordnet, sodass die Befragten nicht sofort den Sinn der Befragung erkennen.
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5. Interpretation
Im Rahmen der Untersuchung wurden 30 Fragebogen ausgefüllt. Davon konnten 29 verwertet werden, da eine Person im Leistungssport Tischtennis ist und dadurch kein Breitensportler darstellt. Unter der bereinigten Untersuchungspopulation von 29 Personen befinden sich 16 weibliche und 13 männliche Sportler. Das Alter liegt zwischen 19 bis 36. Im Schnitt absolvieren die Sportler 3,23 Einheiten/ Woche. Die durchschnittliche Trainingserfahrung liegt bei 5,04 Jahren. Neben dem Krafttraining werden nur noch wenige Sportarten wie Spinning (1), Rennrad (1), Joggen (2), Fitnesstraining (3), Zumba (2), Reiten (1), Schwimmen (1) und Thai-Boxen (1) von den Trainierenden ausgeführt. 20 der 29 Befragten führten an, dass ihnen die Krankheit Sportsucht bekannt ist, vier Sportler definierten sich selbst als sportsüchtig.
Von den sieben Kriterien wurde insgesamt 21-mal „trifft voll zu“ (15 bis 18 Punkte) ausgewertet. „Trifft teilweise zu“ (7 bis 14 Punkte) wurde 100-mal mehr erreicht (siehe Tab. 1). Bei 29 Befragten ergibt das einen Durchschnitt von 0,72-mal bei „trifft voll zu“ und 4,17-mal bei „trifft teilweise zu“ pro Person. Eine Sportbindung weisen Sportler mit mehr als 3-mal „trifft teilweise zu“. Statistisch betrachtet weißt demnach jeder befragter Sportler eine Sportbindung auf. Gerade bei den Sportsüchtigen treffen die Kriterien Kontinuität, Toleranzentwicklung, Intentionalität und zeitlicher Aufwand verstärkt zu.
Von den 29 untersuchten Sportlern konnte bei vier Athleten eine Sportsucht diagnostiziert werden, 50% davon sind Sportstudenten (siehe Tab. 2). Einer Person war die Sucht, durch eigene Vermutung, bekannt. Von den 20 Sportlern mit einer starken Sportbindung haben sich zwei als Sportsüchtig bezeichnet. 20 der 29 Athleten gaben zusätzlich an, dass sie wissen, was eine Sportsucht ist. Darunter auch drei der vier Sportsüchtigen. Wird die eine Person, die sich selbst als sportsüchtig bezeichnet hat, ausgeklammert, so geben zwei der vier Sportsüchtigen an, dass sie wissen, was das Phänomen der Sportsucht. Demnach wird klar, dass 50% der Betroffenen im Glauben sind, zu wissen, was eine Sportsucht ist. Dies steht jedoch im Widerspruch zu der eigener Selbsteinschätzung, ob sie sich als sportsüchtig bezeichnen würden. Auch bei den Personen, welche eine starke Sportbindung aufweisen, gaben 13 von 20 an, dass sie wissen, was eine Sportsucht ist. Zwei dieser Sportler schätzten sich selbst als sportsüchtig ein. Es wird deutlich, dass ein Großteil der Befragten (>50%) zu wissen glaubt, was eine Sportsucht ist, das eigene sportliche Treiben mit der eigenen Einschätzung jedoch das Gegenteil belegt. Lediglich fünf Personen zeigten ein asymptomatisches Verhalten auf.
6. Take-Home-Message
Im Rahmen dieser Hausarbeit wurde die primäre Sportsucht bei Kraftsportlern aus dem Breitensport untersucht. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mit 13,79% Betroffenen die Sportsucht einen nicht zu unterschätzenden Anteil unter den Trainierenden aufweist. Zusätzlich zeigten 68,97% der Trainierenden eine starke Sportbindung. Laut Bette und Gugutzer (2012) ist die Sportsucht ein „schleichender Prozess“. Dies kann bedeuten, dass sich von den 68,95% der Sportler mit einer starken Sportbindung, gerade manche Athleten in dem Prozess befinden und sich ihr Verhalten zu einer Sportsucht entwickelt, die alle sozialen, psychischen und physisch Lebensbezüge dominieren könnte. In der Einleitung wurde die Hypothese aufgestellt, dass die „Sportsucht als soziales Phänomen“ (ebd.: 125) im Breitensport ein relevantes Thema ist und deutlich mehr Aufmerksamkeit erfahren sollte. Die relativ hohen Zahlen der Sportsüchtigen und Sportlern mit einer starken Sportbindung belegen dies. Im Vergleich mit einer Studie von Barth (2011), bei welchem nur Sportstudierende untersucht wurden, waren 6,09% sportsüchtig und 86,96% zeigten eine starke Sportbindung auf.
Ebenfalls stellte sich die Arbeit den Anspruch, die Kriterien für die Diagnose zu untersuchen. Mit den meisten „Trifft voll zu“ steht die Kontinuität (5) an der Spitze, gefolgt von zeitlicher Aufwand, Intentionalität und Toleranzentwicklung mit jeweils vier „Trifft voll zu“.
Auch im Breitensport sollten sich die Trainer mehr mit dem Thema der Sportsucht beschäftigen und eine bessere Aufklärung schaffen, denn nur 17,24% zeigten ein asymptomatisches Verhalten auf. Regelmäßig kann beobachtet werden, dass Sportler immer häufiger erscheinen, Verletzungen nicht auskurieren und immer längere Einheiten im Fitnessstudio absolvieren. Diese Athleten sollten nicht nur für ihren Ehrgeiz ermutigt und bestärkt, sondern auch ganz bewusst auf die Gefahren aufmerksam gemacht werden.